Sonntag, 8. Dezember 2013

Die Stunde der Wahrheit - Hypatia im Interferometer

Wie fange ich diesen Bericht an...

WICHTIGES UPDATE (gleich vorweg):

Horia wird sich des Spiegels annehmen und ihn neu parabolisieren!

Am besten von vorne. Im Jahre 2009 bekam ich meinen Galaxy 12" f/5 aus zweiter Hand. Er sollte mir den Sprung von meinem bisherigen 8" f/6 ermöglichen und tat es auch. Aussagen des Vorbesitzers liessen auf einen guten Spiegel hoffen: Vom Meister handselektiert! Okay. Ich bekam den Spiegel fing an zu beobachten. Toll! Der Sprung von 8" zeigte sich in fast jeder Disziplin. Mein Metier ist der Deepsky, hier brachten mich die 12" ernsthaft weiter, schwache Galaxien waren zu sehen die mir sonst verwehrt blieben, Objekte ich schon gut kannte zeigten mehr Details - wunderbar. 


Aber mir fehlte am Planeten mitunter schon mal die Knackigkeit - Egal, das ist das Seeing, das ist die Justage (Wechsel von f/6 auf f/5) und Planeten gucke ich ja ohnehin nicht so häufig. In den ersten Wochen konnte ich sogar zwei Mitbeobachter animieren mit dem Ronchi Okular auf den Spiegel schauen, okay das Seeing war nicht prädestiniert für solch einen Test, aber eklatante Fehler zeigten sich meiner Erinnerung nach nicht. Die altbekannte Streulichtproblematik mit dem versauten Spiegel war von Anfang an vorhanden. Zu Beginn lies ich mich davon aber wenig beeindrucken, zu sichtbar war einfach der Unterschied in Helligkeit und Details im Vergleich zum 8"er - eine Socke wurde mir jahrelang angeraten, damit der Kontrast endlich mal aus dem Keller kommt!

Ein großes Problem habe ich: Um mich herum stehen meist erstklassige Selbstschliff Spiegel von Horia, Ingo, Roland Hermann (und zuletzt noch der 12"er von Christian Busch) - dass sich hier Unterschiede in der Abbildungsleistung ergeben: Geschenkt! Ich habe einen Spiegel von der Stange.

In der letzten Zeit (Leute die meine Berichte regelmässig verfolgen wissen das) machte mich aber vor allem der Blick durch Jans Standard-GSO 10"er sehr missmutig, ich zweifelte oft an meiner Justage, unterstellte dem pollenvernarbten Spiegel heftige Defizite - er bildete einfach immer besser ab, nicht heller, nein das Licht sammelt der 12er ja schon, aber der Kontrast... !

Vor einigen Wochen war der Leidensdruck dann endlich groß genug, Wahrheiten ins Auge zu blicken - ein Abend in dem nicht das Beobachten sondern endlich einmal das direkte Vergleichen im Vordergrund stand - Ich zitere mich einmal selber:

Nein, dieser Spiegel (gemeint ist Hans 12"er von Spacewalk Telecopes) ist kein GSO! ^^ Wunderschöne Sterne und starker Kontrast, und da ist denke ich mit einer Socke noch Platz nach oben! Mein 12er kam da in keiner Disziplin mit, aber dazu später mehr.

Sehr auffällig und für mich mitunter sehr schmerzhaft war aber die Erkenntnis des Abends: Mein Teleskop hat nach wie vor ein herbes Kontrastproblem. Jans 10"er ist hier ganz weit vorne und auch Hans neues Gerät war natürlich besser. Im 10" GSO kann man noch mit Volltubus und perfekter Innenschwärzung argumentieren, beim Spacewalk nicht und sowohl Spiegelbox als auch Hut sind ja ausgekleidet. Es wäre träumerisch zu hoffen, dass das Schwärzen von eins zwei Details und einer Socke mein Problem aus der Welt schaffen wird (wobei ich das nun zeitnah endlich fertig machen werde!), ich muss der Wahrheit ins Auge blicken: es ist mein versiffter Spiegel - wie ich ja schon oft gejammert habe ist der Spiegel angegriffen und nicht zu reinigen
Leute, jeder liebt sein Teleskop, aber manchmal tut man sich doch einen Gefallen wenn man sich intensiver mit den Teleskopen um einen herum beschäftigt...

Die Streulichtunterdrückungsmaßnahmen wurden angegangen um endlich Abhilfe zu schaffen, der Spiegel blieb aber weiter im Fokus - ich erhoffte mir nur minimale Verbesserungen solange die Spiegeloberfläche so mies war. Mein Plan: Eine Neuverspiegelung und endlich Kontrast geniessen! Nun hörte ich bei mir aber hartnäckig  eine Stimme im Hinterkopf "Lass ihn vorher testen, du haust sonst 200€ raus und am Ende ist der Spiegel selber nix!" - Ach, kann doch kaum sein, ich habe doch schon viele schöne Beobachtungen damit machen können, jau die Selbstbauten um mich herum machen bessere Bilder, aber es sind eben Selbstschliffe und die Standardspiegel? Ach, die haben ja nicht das Problem mit der vernarbten Oberfläche.



Vor einigen Wochen fasste ich mir nun aber doch ein Herz und meldete mich bei Horia und schilderte ihm mein Problem und meinen Wunsch nach einer richtigen Spiegelvermessung. Ein Termin Anfang Dezember wurde vereinbart und die Stunde der Wahrheit rückte näher. Was mache ich nun? Ich wartete zunächst auf einen Möglichkeit meine Streulichtschuztmaßnahmen zu testen. Die Nacht die dann dafür herhalten musste war extrem kurz und siffig, ich war mir aber durchaus sicher einen Effekt von der Socke wahrzunehmen. Was mache ich wenn nun herauskommt, dass der Spiegel in seinem jetzigen Zustand nicht der Neuverspiegelung würdig ist? Einen neuen kaufen (respektive auf einen neuen sparen) oder den Alten retuschieren lassen? Ich träumte in den letzten Wochen sogar schon davon :D

Heute Vormitag ging es dann mit dem Spiegel im Kofferraum nach Canossa. Ich kann mich an dieser Stelle bei Horia gar nicht genug bedanken, dass er sich die Zeit und Muse genommen hat auch noch sonntags (!) in der Vorweihnachtszeit den halben Tag für meinen Spiegel und dessen Vermessung zu opfern! Danke!

Der Testaufbau, das Messen und die Auswertung live zu verfolgen war ein Erlebnis für sich, wirklich spannend, die Sorge um das Ergebnis trat hier eindeutig durch die Begeisterung für den akribischen Aufbau und der Durchführung in den Hintergrund. Nach zwei Serien durch das Interferometer tauschte Horia den Messaufbau gegen den Focaulttester aus. Ha, das hat mich gefreut nach so viel Theoriestudium in diese Richtung endlich Live einer Messung beiwohnen zu können. Bis hier hin war die Hoffnung noch nicht geschwunden, dass der Spiegel durchaus noch im Rahmen des Erträglichen liegen würde. Dies verflog leider sehr schnell bei der Sichtung der ersten Fotos am Rechner, noch bevor Horia sie mit OpenFringe verrechnete.

Um an dieser Stelle etwas abzukürzen und den Bogen nicht zu überspannen: Der Spiegel ist abgrundtief schlecht! 0,245 Strehl ... das musste ersteinmal sacken. Es gab minimale Probleme mit der Kameraeinstellung, die zwei Reflexe produzierte (auch die Macken in der Verspiegelung sind hier sicher nicht unschuldig), aber an der grundsätzlichen Form des Spiegels ändert das am Ende nichts mehr. Er ist nach Horias Aussage hoffnungslos unterkorrigiert. Ich mutmaße mal: Heutzutage - dank der tatkräftigen öffentlichen Unterstützung der Spiegelschleif Szene - würde selbst ein Erstschleifer so etwas nicht als beendetes Projekt hinbekommen.

Folgend nun einige Auszüge aus dem I-Gramm (Hier der Download des kompletten Protokolls):
















Und nun?

Klar sind zwei Dinge: Ja, dieser Spiegel muss handselektiert sein, da muss man mal mindestens zwei Jahre Zeit investieren und jeden Spiegel prüfen bevor man so ein schlechtes Exemplar findet! Sorry, aber mir bleibt jetzt nur noch der schwarze Humor! Zweitens: Ich bin froh, dass Horia den Spiegel unter die Lupe genommen hat, nochmals Danke dafür! Und mach dir keine Sorgen, es ist besser die bittere Wahrheit zu kennen als in "vergnüglicher" Unwissenheit über die Abbildung zu jammern und nicht zu wissen woran es nun liegt, in jedem Fall hätte ich ohne die Vermessung vielleicht eine völlig unsinnige Neubelegung vorgenommen und mich hinterher maßlos geärgert!

Was nun mit Hypatia, bzw. ihrem Spiegel weiter geschieht ist noch nicht raus. Definitiv werde ich nicht noch einmal ins "Gurkenlotto" einsteigen und mir einen neuen Spiegel dieser Preisklasse (oder eine darüber) kaufen. Selberschleifen ist noch ein weitentferntes, unrealistisches Ziel. Da auch ein Highend Spiegel derart weit von meinen Möglichkeiten entfernt liegt, fällt dies mittelfristig auch flach. Leider ist es aber auch so, dass ich nicht einfach weitermachen kann - der Spiegel wird bis zur Klärung kein Licht mehr sehen :( Zum Glück habe ich noch meinen 8er der natürlich auch kein bestätigter Superspiegel ist, aber dessen Abbildung mir in all den Jahren niemals solche Fragezeichen auf die Stirn zauberte wie der 12"er... Er wird mir die Zeit bis ich weiss was geschieht problemlos versüssen und kommt endlich mal wieder zu Ehren.

Der spannendste Sonntag seit Erfindung der Wochenenden :D Kein Witz, so niederschmetternd das Ergebnis, so viel habe ich heute gelernt! Nochmals ein großes Danke an Horia.

Zum Ende noch ein paar Eindrücke die ich bei den Testaufbauten fotografieren durfte.






2 Kommentare:

  1. Hallo Benny,

    >Ja, dieser Spiegel muss handselektiert sein, da muss man mal mindestens zwei Jahre Zeit investieren und jeden Spiegel prüfen bevor man so ein schlechtes Exemplar findet!<

    Ja, da gebe ich dir Recht. Ich weiß, wie du zu der Gurke gekommen bist. Ich weiß auch, wer der Vorbesitzer war und ebenso, welche Beziehung dieser zum ursprünglichen Händer hatte. Vermutlich wurde die Gurke durch den Chef "handselektiert"- im Sinn von als unbrauchbar aussortiert- und der Vorbesitzer hat ihn für einen Apfel ohne Ei als Schnäppchen aus der Ecke geholt.

    Das er dir als besonders gutes handselektiertes Exemplar übergeben wurde- na ja, wie erwähnt, ich kenne den Vorbesitzter :)

    Gruß und klaren Himmel

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  2. Hallo Benny!
    Ich lese gerade jetzt erst von diesem "Vorfall". Ja, auch mir ist der Vorbesitzer bekannt. Er tönte über Jahre hinweg ja laut genug herum, wie toll sein Teleskop doch sei. Daß das Ganze sich nun im Endeffekt nur als heiße Luft herausstellte, bestätigt meine Meinung, die ich von diesem Herren habe, seitdem er sich in den einschlägigen Astro-Foren als Lautsprecher und Super-Experte tummelte.
    Bedauerlich nur, daß Du im Endeffekt der Leidtragende bist, der diesen Schrott-Spiegel erworben hat.
    Trotzdem alles Gute und hoffentlich bald ungetrübten Spaß am Hobby!

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